
»Niemand weiß, was die Hormone genau mit mir machen werden.«
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- 04/07/2018
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- By : erzählmal.
Alia Emma Boecker hieß früher Sebastian Paul. Vor einem dreiviertel Jahr hat sich die 28 jährige Studentin entschieden, offen als Frau zu leben. Mit erzählmal. spricht sie über ihr Outing, ihre Schwierigkeiten und die bevorstehende Hormonbehandlung.
erzählmal.: Der 8. August 2017 war eigentlich ein ganz normaler Dienstag. Am Abend warst du in deiner Küche und hast Geschirr gespült. Etwas ungewöhnlich war jedoch die plötzliche Unterbrechung, denn du hast alles stehen und liegen lassen, um auf Facebook dein Transgender öffentlich zu machen. Hat dich in diesem Moment einfach der Mut gepackt?
Alia: Ich hatte darüber schon seit zwei Wochen nachgedacht. Beim Geschirrspülen war es wieder in meinem Kopf und dann beschloss ich spontan, den Facebook-Post zu schreiben. Abgesehen von einem alten YouTube Account ist Facebook die einzige Social Media-Plattform, auf der ich angemeldet bin. Ich dachte, wenn ich das dort schreibe, ist es öffentlich. Dann kann mir auch keiner vorwerfen, dass ich ein Geheimnis daraus mache.
erzählmal.: Bevor du an diesem Abend deine Facebook-Freunde informiert hast, bist du vermutlich persönlich auf dein engeres Umfeld zugegangen. Mit wem hast du zuerst gesprochen?
Alia: Die erste, mit der ich ganz offiziell darüber geredet habe, war eine enge Freundin von mir aus dem Studium. Bis hin zur Entscheidung, mein inneres Geschlecht auszuleben, war es aber ein langer Prozess. Ich habe vorher schon einigen erzählt, dass ich darüber nachdenke. Bevor ich den Beitrag veröffentlicht habe, hatte ich natürlich mit meiner Mutter gesprochen und auch mit ein paar anderen Familienmitgliedern, die das wissen sollten. Außerdem habe ich mich bei meinen übrigen Freunden geoutet. Es gab aber auch einige, die bis dahin nichts davon wussten – bestimmt waren einige überrascht.
erzählmal.: Wie hat dein Umfeld denn reagiert? Hast du gute Erfahrungen gemacht?
Alia: Ja, faszinierend positiv. Meine Freunde waren total lieb, haben mir alles Gute gewünscht und ihre Unterstützung angeboten. Auch meine Mutter hat super reagiert, da war ich mir natürlich ein bisschen unsicher. Aber seit dem bin ich mit ihr viel enger.
»Früher habe ich in Bremen direkt neben dem Bürgerpark gewohnt. Das ist ein gigantischer Stadtpark. Immer wenn ich dort herumgeschlendert bin, hatte ich Fantasien wie es wäre, als Frau zu leben.«
erzählmal.: Was hat sie denn gesagt?
Alia: Zuallererst hat sie mich umarmt. Sie hat sich gefreut, dass ich ihr es erzählt habe und so mutig war. Sie meinte, dass sie stolz auf mich ist. Das war ein sehr schönes Erlebnis. Und sie hat mir gesagt, dass sie immer hinter mehr steht und ich mich auf sie verlassen kann.
erzählmal.: Du hast gerade angesprochen, dass dieser gedankliche Prozess viel Zeit braucht. Vermutlich gab es keinen konkreten Moment, in dem dir ganz plötzlich alles klar war, oder?
Alia: Nein, nicht wirklich. Ich möchte das nicht grundsätzlich verallgemeinern – aber ich glaube, die meisten hatten schon als Kind Momente, in die sie sich nicht richtig einordnen konnten. Bis ich 14 oder 15 Jahre alt war, fand ich Jungs in meinem Alter unglaublich anstrengend. Ich wollte lieber mit Mädchen spielen. Die haben mich aber schief angesehen und sich wohl gefragt, warum ich nicht Fußball spiele. In rein weiblicher Gesellschaft habe ich mich immer am wohlsten gefühlt. Ich habe den Eindruck, dass geschlechterbezogenen Erwartungen dann nicht kreuz und quer lagen. Als meine Großeltern gestorben sind, habe ich beim Ausräumen ihres Hauses ein bisschen Schmuck gefunden. Damit wollte ich dann zur Schule gehen. Meine Mutter ist ein sehr offener Mensch, die mich heute auch voll unterstützt – aber damals hat sie mir gesagt, dass man als Junge nicht solchen Schmuck trägt. Zu dieser Zeit war ich acht Jahre alt. Ich habe Angst bekommen und die Sachen wieder weggelegt. Ich wollte ja keinen Stress in der Schule haben.
»Ich drehe mich im Kreis: Ich bin psychisch unglücklich, weil ich im falschen Körper bin, dann bekomme ich Kopfschmerzen, wodurch es im eigenen Körper noch härter ist, zu leben.«
erzählmal.: Wie ging es dir später in der Pubertät?
Alia: Als ich 10 Jahre alt war, habe ich dieses Pen&Paper Rollenspiel kennengelernt. Das ist eine Art Erzählspiel, in dem jedem Spieler eine Rolle mit bestimmten Charaktereigenschaften zugewiesen wird. Man kann sich aussuchen, welchen Charakter man spielen möchte. Ich habe mir immer eine weibliche Rolle ausgesucht – bis heute. In der Pubertät bin ich dann krank geworden. Ich hatte extreme Schlafprobleme und sehr starke Kopfschmerzen. Frische Luft hat immer ein wenig geholfen, deswegen bin ich sehr oft spazieren gegangen. Ich habe damals in Bremen direkt neben dem Bürgerpark gewohnt. Das ist ein gigantischer Stadtpark. Immer wenn ich dort herumgeschlendert bin, hatte ich Fantasien wie es wäre, als Frau zu leben – und wie es wäre, gesund zu sein, gut auszusehen oder was sonst gerade mein Problem war. Beim Spazieren habe ich diese ganzen Gefühle verarbeitet. 2010 bin ich dann zur Uni gegangen. Ich will kaum zugeben, dass das schon so lange her ist. Mit meinem Studium habe ich mich leider jahrelang herumgeschlagen. Gleichzeitig habe ich eine Depression entwickelt, unter anderem wegen meiner chronischen Schmerzen. Im Mai oder Juni 2017 habe ich dann endlich ein Medikament gefunden, das gegen meine Depression geholfen hat. Dann habe ich mich aufgerafft. Ich musste da jetzt ran, an mein Transgender.
erzählmal.: Was sind das für Schmerzen, von denen du sprichst?
Alia: Die Schmerzen sind teilweise psychisch, man verdrängt ja viel. Meine Ärzte sagen, dass das viel mit Transidentität zu tun hat, gerade, weil ich mich so lange nicht darum gekümmert habe. Aber ich habe nebenbei einen kaputten, schief stehenden Kiefer. Der drückt auf meinen Schädel und daher habe ich die Kopfschmerzen. Dadurch drehe ich mich im Kreis: Ich bin psychisch unglücklich, weil ich im falschen Körper bin, dann bekomme ich Kopfschmerzen, wodurch es im eigenen Körper noch härter ist, zu leben. Nachdem ich mich frisch geoutet hatte, habe ich mich lange gefragt, warum ich mich das nicht schon früher getraut habe.
erzählmal.: Wie ging es denn weiter nach deinem Outing?
Alia: Wenn man Transgender ist, muss man erstmal in psychiatrische Behandlung. Die besucht man sechs Monate lang und erst ab dann darf man in die Hormontherapie.
erzählmal.: In dieser Behandlung wird dann geprüft, ob du wirklich Transgender bist?
Alia: Die gehen da schon von aus und behandeln einen gleich dementsprechend. Wir sprechen dort über meine Probleme und Fragen. Diese Therapieplätze sind aber unfassbar knapp. Ich habe alle sechs Wochen einen halbstündigen Termin. Wir klären dort deshalb vor allem Organisatorisches. Aber es geht natürlich auch darum, sich den Menschen anzusehen und herauszufinden, ob er eventuell einen ganz anderen psychischen Schaden hat. Viele Leute werden sich jetzt aufregen, dass ich psychischer Schaden gesagt habe. Ich hoffe, du weißt, wie ich das meine.
erzählmal.: Ist es denn ein psychischer Schaden?
Alia: Technisch gesehen ist es eigentlich ein körperlicher Schaden. Bisher gibt es ja kaum Forschung zu diesem Gebiet, aber das was es gibt, unterstützt diese These. Es gibt Studien, die besagen, dass die Gehirnchemie bei Menschen wie mir anders ist. Unsere Gehirnströme entsprechen mehr denen von Frauen als von Männern, obwohl wir biologisch erstmal männlich aussehen. So gesehen ist es also durchaus ein physisches Problem. Aber natürlich hängt viel Psychologie mit dran.
»Die meisten Frauen, denen ich von dem Praxistest erzähle, sagen, Makeup und Kleid machen dich ja noch nicht zur Frau – da steckt viel mehr dahinter. Das ist auch völlig meine Meinung. Ich will ja auch nicht öffentlich als Frau leben, nur damit ich jetzt Kleider tragen darf.«
erzählmal.: Zurück zu der psychologischen Behandlung: Ist das mehr eine Betreuung oder eine Prüfung?
Alia: Die Prüfung kommt später. Wenn ich meinen Personenstand bei den Behörden ändern will, muss ich zum Gericht und beantragen, dass ich begutachtet werde. Dann fahre ich zu zwei Gutachtern, unterhalte mich jeweils eine Stunde mit ihnen und dann sagen sie, ob ich tatsächlich transgender bin und nicht schizophren oder so.
erzählmal.: Kann man das denn in einer Stunde beurteilen?
Alia: Es gibt mehr als genug Leute, die der Meinung sind, dass das Blödsinn ist.
erzählmal.: Zur Zeit steht aber noch nicht die Personenstandsänderung auf deiner Agenda, denn du bist gerade im Praxistest. Den schreibt dir vor allem die Krankenkasse vor. Worum geht es in diesem Test?
Alia: Ich soll ein halbes Jahr lang nach außen projizieren, dass ich eine Frau bin. Das heißt vor allem, dass ich mich weiblich kleiden und Makeup tragen soll. Am Anfang habe ich mir tierischen Stress gemacht, mich unter Druck gesetzt und eine Perücke für 600 Euro gekauft – Geld, das ich nicht hatte. Ich liebe es, Kleider zu tragen und ich liebe es auch, Strumpfhosen zu tragen. Ich habe auch ein ganz anderes Körpergefühl, wenn ich mich am ganzen Körper rasiert habe. Das hat also sehr viele positive Seiten, aber es ist auch unglaublich aufwändig, schwierig und teuer. Es ist ja quasi so, als ob dein komplettes Haus abgebrannt ist und du dir alles neu kaufen musst. Kleider, Schuhe, Taschen, Makeup.
erzählmal.: Aber es trägt ja auch nicht jede Frau Makeup.
Alia: Ja, aber ich sollte das eigentlich schon. Inzwischen sehe ich das aber auch nicht mehr so eng. Die meisten Frauen, denen ich das erzähle, sagen, Makeup und Kleid machen dich ja noch nicht zur Frau – da steckt viel mehr dahinter. Das ist auch völlig meine Meinung. Ich will ja auch nicht öffentlich als Frau leben, nur damit ich jetzt Kleider tragen darf. Gerade das Makeup ist nicht so hundertprozentig meins. Ich war auch nie ein Modemensch.
»Was mich überrascht hat, war, dass es viele Leute gibt, die mir zunicken und mich aufmunternd ansehen. Das bringt mir jedes Mal was!«
erzählmal.: Wie war der allererste Moment, als du als Frau aus der Haustür gegangen bist? Ein Freiheitsgefühl oder war es verbunden mit Angst?
Alia: Dazu fallen mir zwei Situationen ein. Als ich das erste Mal mit einem Kleid das Haus verlassen habe, ist es mir gar nicht bewusst gewesen, weil ich abends einfach nochmal an die frische Luft wollte und vergessen hatte, mich umzuziehen. Das war aber um elf Uhr nachts und ich bin nur einmal um den Block gelaufen. Das war also nicht so dramatisch. Als ich das erste Mal wirklich im kompletten Dress-Up in die Stadt gefahren bin, habe ich mich mit einer Freundin getroffen, die die Klamotten mit mir ausgesucht hatte. Vermutlich wäre sie enttäuscht gewesen, wenn ich mir etwas anderes angezogen hätte. Meine Perücke hatte ich damals glaube ich noch nicht. Ich war jedenfalls tierisch nervös. Natürlich war es auch ein befreiendes Gefühl – vor allem, nachdem ich die erste Nervosität überstanden hatte. Aber am Anfang war es krass. Da war viel Angst dabei.
erzählmal.: Haben dich die Leute schief angesehen?
Alia: Nur sehr wenige. Es gibt immer ein paar Idioten, normalerweise Männer oder alte Leute, die einen giftig ansehen. Einmal war abends jemand ein bisschen betrunken, der konnte nicht aufhören, mich auszulachen. Die meisten Leute sind aber unglaublich gelassen. Das hatte ich nicht erwartet. Sie haben auch nicht angestrengt an mir vorbei geschaut, sondern denen war das einfach völlig egal. Vermutlich haben einfach so viele Menschen viel wichtigere Probleme, als sich in diesem Moment mit mir zu beschäftigen. Was mich überrascht hat, war, dass es viele Leute gibt, die mir zunicken und mich aufmunternd ansehen. Das bringt mir jedes Mal was! Tübingen ist vermutlich auch das richtige Pflaster für Menschen wie mich.
erzählmal.: Am Montag startet deine Hormontherapie. Weißt du schon, was die Hormone am Anfang mit dir machen werden?
Alia: Das weiß niemand. Es gibt viele Erfahrungsberichte darüber, aber es ist ja bei jedem anders. Es gibt Leute, die jedes Klischee erfüllen und plötzlich unglaublich emotional und zickig werden. Oh je, ich hoffe, das werde ich nicht. Die Mehrheit von uns hat ja Depressionen. Bei manchen werden sie dann stärker, bei manchen weniger. Bei anderen bleiben die Depressionen gleich. Viele Leute erleben auch eine extreme Fettwanderung. Das heißt, dass existierendes Fett in andere Körperregionen wandert. Ich bin auch ein bisschen übergewichtig, das sieht man ja. Bei Männern sammelt sich das mehr im Bauchbereich, bei Frauen ist Fett meist verteilter auf Bauch, Hüften, Beine, Arme und Brüste.
erzählmal.: Freust du dich auf Montag?
Alia: Ich bin nicht nervös, aber sehr gespannt. Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie ich Ende nächster Woche drauf sein werde. Das ist so ein krasser Schnitt. Ich habe auch nicht viel geplant.
erzählmal.: Hast du auch keine weitergehenden Pläne?
Alia: Eigentlich nicht. Ich war nie der Typ für langfristige Pläne. Ab Montag startet die größte Veränderung, die ich je hatte. Ich kann es nicht einschätzen, vielleicht reagiere ich auch gar nicht auf die Hormone. Das wäre ein bisschen enttäuschend, nach all der Aufregung.
erzählmal.: Da wird der Montag ja echt einen Neuanfang markieren. Möchtest du dich denn auch irgendwann operieren lassen?
Alia: Bisher habe ich es vor, ja. Zwölf Monate nach Beginn der Hormontherapie folgt normalerweise die erste Operation. Also habe ich schon ein bisschen Pläne, aber ich will auch überhaupt nicht ausschließen, dass es anders kommen könnte. Vielleicht bin ich mit den Hormonen dann so glücklich, dass es mir reicht, als Frau zu leben, obwohl ich wie ein Mann aussehe. Ich will jetzt wirklich erstmal sehen, was die Hormone mit mir machen.
»Beim Abendessen in größerer Runde löst man mit dem Satz „ja, ich bin Transgender“ jedes Mal eine politische Debatte aus.«
erzählmal.: Wie hast du dich eigentlich für deinen neuen Namen entschieden?
Alia: Seit ich in Bremen immer wieder durch den Bürgerpark gegangen bin, nannte ich mich in meinen Fantasien Melanie. Als ich dann im Zuge meines Outings einen Namen brauchte, verband ich mit „Melanie“ jedoch zu viele Erwartungen und auch viel pubertären Mist. Meine Mutter hätte mich Marlene genannt, wenn ich ein cis-Mädchen geworden wäre. Den Namen fand ich schön. Ich habe mich eine ganze Weile Marlene nennen lassen, aber irgendwann wurde mir bewusst, dass der Name mich runterzog. Zu der Zeit meines Outings hatte ich sehr niedrig gesteckte Ziele, weil ich Angst hatte, mich selbst zu enttäuschen. Später hatte ich dann das Gefühl, der Name würde nur dafür stehen, dass ich mir damals nichts zugetraut hatte. Also habe ich das wahrscheinlich Nervigste gemacht, was man als Transmensch machen kann, und mich umentschieden. Alia war ein Name, den ich auch schon immer genutzt habe – allerdings nicht für mich, sondern für Figuren in Computerspielen, beim Pen&Paper oder in Kurzgeschichten, die ich geschrieben habe. Alia stand irgendwie immer für einen Menschen, der ich gerne sein wollte. Aber im Gegensatz zu Melanie verband ich mit Alia keine Erwartungen, sondern bloß Geschichten. Ich bin sehr, sehr glücklich mit diesem Namen. Ursprünglich habe ich ihn übrigens aus Frank Herberts „Der Wüstenplanet“. Die Figur Alia wird dort allerdings verrückt und versucht, ihre Familie umzubringen. Daran hatte ich bei der Namenswahl nicht mehr gedacht.
erzählmal.: Stell dir vor, du lernst jemanden kennen, der in einer ähnlichen Situation ist, wie du es warst. Der mit sich hadert und sich nicht traut, sich auszuleben. Was würdest du ihm sagen?
Alia: Es gibt unter Schwulen und Lesben so einen mehr oder weniger witzig gemeinten Spruch: Wenn man mehr als einmal darüber nachgedacht hat, ob man homosexuell ist, ist man es mit Sicherheit ein bisschen. Ich glaube, für Transsexuelle gilt das irgendwie auch. Ich muss aber schon sagen, dass Transgender und die damit einhergehende Wandlung eine sehr anstrengende psychische Belastung ist, selbst wenn man wie ich die besten Erfahrungen macht. Man muss sich gut überlegen, ob man voll in diesen Änderungsprozess einsteigt. Ich würde dem Menschen aber sagen, dass er sich nicht unter Druck setzen lassen soll. Einfach mal ausprobieren und es realer machen – zum Beispiel in eine fremde Stadt fahren und sich so anziehen, wie man möchte. Aber immer nur so, dass man sich gut fühlt. Es wird wohl für jeden Transgender auf der Welt gelten, dass es immer besser ist, wenn man sich auslebt.
erzählmal.: Ich will nicht behaupten, dass es dir leicht gefallen ist, dein Transgender öffentlich zu machen – aber war es insgesamt leichter, weil wir in unserer Gesellschaft gerade sehr viele geschlechterbezogene Themen aushandeln?
Alia: Natürlich ist das total aktuell! Solche Themen werden gerade sehr ins Bewusstsein der Leute gerückt. Viele machen sich ihre Gedanken. Diese Gedanken sind meistens „die sollen ihre Rechte haben wie alle anderen auch“, zum Beispiel bei der Ehe für Homosexuelle. Das ist total gut. Und ja, ich glaube, das hat geholfen. Als ich diese konkreten Fantasien mit 15 oder 16 hatte, habe ich lange gebraucht – bestimmt ein Jahr lang – bis ich mein Denken mit meinem Wissen über Transsexualität zusammen gebracht habe. Ich wusste in der Theorie schon ein wenig über Transgender Bescheid, aber solche Themen waren damals nicht so präsent wie heute. Es ging also ewig, bis ich meine emotional aufgeladene Stimmung damit verbinden konnte. Diese geschlechterbezogenen Themen sind allerdings sehr politisiert. Politik bedeutet auch, dass es immer Leute gibt, die sich profilieren wollen. Außerdem gibt es immer Anfeindungen. Dass Transgender ins öffentliche Bewusstsein rückt, ist wichtig. Ich habe mir aber schon manchmal gedacht, dass es für die Transgendergemeinde einfacher wäre, nicht so sehr im Rampenlicht zu stehen. Beim Abendessen in größerer Runde löst man mit dem Satz „ja, ich bin Transgender“ jedes Mal eine politische Debatte aus. Aber: Ich finde es super, wenn die Leute wissen, worum es geht. Je qualifizierter sie sich darüber äußern können, desto besser!
Das Interview fand am 01. Dezember 2017 statt. Zu diesem Zeitpunkt nannte sich Alia noch Marlene. Der Name und der Absatz zu dessen Findung wurde nachträglich angepasst.