
»Ich sagte aus Jux: Du nimmst den Van und wir kommen mit auf die Bahamas.«
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- 13/02/2018
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- By : erzählmal.
Johannes Stier, 23 Jahre |
Was war deine krasseste Reise?
Oh, das war eine verrückte Sache. Mit meinem guten Schulfreund hatte ich mich entschlossen, nach dem Abi einmal quer durch Kanada zu touren. Und da war klar, wir brauchen für die Reise einen Van. Den haben wir auch relativ schnell über eine Work-and-Travel-Gruppe auf Facebook gefunden. In einem schmierigen McDonald‘s Rasthof irgendwo in Deutschland habe ich dann einem Wildfremden 1.500 Euro in die Hand gedrückt und dafür die abgegriffenen Schlüssel eines Chevrolets bekommen. Wenige Tage später sind wir dann auch schon nach Kanada geflogen. Dort stand unser Van im absoluten Hinterland: mitten im Wald auf dem Parkplatz einer Reptilienfarm. So viel also zu dieser eigenartigen Situation! Um uns zu akklimatisieren, fingen wir an, auf dieser Reptilienfarm zu arbeiten. Es hatte -30 Grad, damals war in Nordamerika ein Horrorwinter.
»Ich hatte gerade die Schlüssel des Vans in meiner Hosentasche. Ich nahm sie heraus und schob sie auf dem Tisch zu ihm rüber.«
Irgendwann beschlossen wir dann unsere Reise zu beginnen. Von dem Chefbiologen der Reptilienfarm erfuhren wir allerdings, dass es ungefähr 5.000 Dollar kosten würde, den Van für ein halbes Jahr zu versichern. Das hätte unser Reisebudget um ein Vielfaches gesprengt. Deshalb entschieden wir uns, zuerst einmal ohne den Van loszuziehen und Freunde in Boston und in New York zu besuchen. Voller Hoffnung kehrten wir dann zurück. Wir dachten, dass sich die Versicherung zwischenzeitlich mit einem günstigeren Angebot gemeldet hatte. Das Gegenteil war der Fall. 5.000 Dollar war tatsächlich das niedrigste Angebot für zwei junge, unerfahrene Fahrer in einem fremden Land. Das war sehr frustrierend. Als wir Jeff, unseren Chefbiologen fragten, was bei ihm in den nächsten Tagen anstehe, erzählte er, dass er eine Exkursion auf die Bahamas leiten würde. Dann fragte er uns einfach so, ob wir gerne mitreisen wollten. Allerdings meinte er, dass es sehr teuer sei. Weil wir frisch aus der Schule kamen und deshalb kein großes Budget hatten, kam diese Option also leider nicht in Frage. Beim Abendessen sprach er uns noch einmal darauf an. Ich hatte gerade die Schlüssel des Vans in meiner Hosentasche. Ich nahm sie heraus, schob sie auf dem Tisch zu ihm rüber und sagte aus Jux: „Jeff, du nimmst den Van und wir kommen mit auf die Bahamas.“ Und er: „Alles klar, Deal, das machen wir so!“
»Für 100 Dollar die Woche, Kost und Logis frei, hätte ich im Paradies arbeiten können.«
Wenige Tage später flogen wir dann mit einer Truppe Biologen auf die Bahamas. Segelboot, 10 Tage auf dem Wasser, das war einfach ein absoluter Traum! Gleichzeitig war die Exkursion auch viel weniger wissenschaftlich als ich befürchtet hatte. Ich glaube, ein nicht unwesentlicher Teil des Budgets ging für Alkoholika drauf. Die Tage begannen also immer sehr schön mit Nature Research: Wir suchten Schildkröten, schnorchelten und tauchten, erkundeten Korallenriffe … Irgendwann ist dann jemand auf eine Kokospalme geklettert, hat eine Kokosnuss heruntergeschlagen, Rum und Strohhalm hinein getan und dann begannen die exzessiven Bahamas-Partys. Es war eine ziemlich wilde Zeit. Wir hatten unglaublich viel Spaß, haben mit riesigen Haien getaucht und auch wirklich coole Freunde fürs Leben gefunden. Ich denke immer noch extrem gern an diese Zeit zurück, weil es einfach so ein verrücktes Abenteuer war. Man hatte dieses Gefühl, komplett frei zu sein und alles tun zu können. Ich hatte dann sogar noch das Angebot von dem Kapitän bekommen – der krasseste Typ, den ich je kennengelernt habe – ob ich nicht bei ihm als Schiffskoch anheuern möchte. Für 100 Dollar die Woche, Kost und Logis auf dem Boot frei, hätte ich im Paradies arbeiten können.
»Der Van war überhaupt nicht fahrtüchtig.«
Das habe ich mir sehr gut durch den Kopf gehen lassen, entschloss mich dann aber dazu, mit meinem Kumpel weiter durch Kanada zu touren und unseren Plan durchzuziehen – ohne Van natürlich. Der Tausch hat sich im Nachhinein als besonderer Glücksfall erwiesen, denn der Van war überhaupt nicht fahrtüchtig. Er musste für weitere 2.000 Dollar repariert werden. Jeff hat uns das zum Glück nicht übel genommen, denn er wusste, dass wir keine Ahnung von Autos und von Technik hatten. Die Vorstellung, dass der Van, der etwas älter war als ich damals, auf einem verlassenen kanadischen Highway schlappmacht und wir Tage oder Wochen später zusammengekauert und erfroren aufgefunden werden, erscheint im Nachhinein gar nicht so unrealistisch.